Liebesgedichtevon Goethe, Rilke, Schiller und Co.

Nicht jeder, der liebt, kann ein Dichter sein. Manchmal aber gibt es Menschen oder Situationen, für die es besonders schöne Worte braucht. Glücklicherweise kann man dann auf eine Fülle schönster Liebesgedichte zurückgreifen, die die zartesten und die stärksten Gefühle auf die poetischste Art und Weise zum Ausdruck bringen. Gleich, ob man vom Erwachen einer jungen Liebe, dem Vertrauten einer innigen Verbindung oder dem Rausch der sinnlichen Liebe schwärmen möchte, für jedes dieser Gefühle hat bereits ein Dichter Worte gefunden, deren man sich gern bedienen darf. Gedichte sind, ob gesprochen oder in einem Brief geschrieben, ein Geschenk. Sie nutzen sich nicht ab, bleiben immer gleich schön und sagen der Person, an die man sie richtet, dass sie unvergleichlich ist.

Eines der schönsten Liebesgedichte, das von einer beginnenden Liebe und den ersten Berührungen zweier Liebenden erzählt, ist "Die Zärtlichkeiten" von Stefan Zweig. Als zart und noch ein wenig ängstlich beschreibt er dieses Näherkommen, an das man sich später so gerne erinnert.

Über ein tiefes Gefühl der Liebe und der Verbundenheit zweier Menschen, die gemeinsam ein Ganzes bilden, spricht das Gedicht mit dem klassischen Titel "Liebeslied" von Rainer Maria Rilke. Aus Verliebt-Sein ist Liebe geworden, in der zwei Seelen einander berühren und im Einklang miteinander sind.

Else Lasker-Schüler schreibt in "Mein Liebeslied" von der Sehnsucht nach dem Liebsten und davon, wie es ist, wenn man immer nur an den einen denken kann – ein Gefühl, das alle Verliebten kennen, und das gleichzeitig schwer auszuhalten und schön ist.

Stärker noch als Sehnsucht ist das Verlangen, das Stefan George in seinem Gedicht "Wenn ich heut nicht deinen Leib berühre" beschreibt. Er erzählt mit starken Worten von fieberhaftem Begehren, das nach Erfüllung durch die Liebste verlangt.

Davon, dass die Liebe stark und gut macht, zeugt das "Gebet an die ferne Geliebte" von Christian Morgenstern. Die Kraft, die sich Liebende schenken können – auch aus der Entfernung – kann mit diesem Gebet in wunderbaren Wendungen immer wieder neu beschworen werden.

Von dem großen Glück, einen Menschen gefunden zu haben, den man liebt, und der diese Liebe erwidert, erzählt Franz Werfels "Woher" - ein Staunen darüber, dass die Liebe alles verändert, und man selbst dieses Wunder erleben darf.

Einen intimen Moment der Zweisamkeit fängt das kurze Gedicht "Aranka" von Wolfgang Borchert skizzenhaft ein - ein wunderbarer, flüchtiger Augenblick in bildhafte Worte gekleidet.

So viele Facetten der Liebe es gibt, so viele Gedichte gibt es darüber. Einige der schönsten finden Sie auf unserer Seite. Sollte Ihnen unsere Auswahl noch nicht reichen, legen wir Ihnen einen Besuch auf www.gedichte.ws nahe. Dort gibt es zahlreiche weitere Liebesgedichte.

Die Liebenden

Seht jene Kraniche in großem Bogen!
Die Wolken, welche ihnen beigegeben
Zogen mit ihnen schon als sie entflogen
Aus einem Leben in ein anderes Leben.
In gleicher Höhe und mit gleicher Eile
Scheinen sie alle beide nur daneben.
Daß so der Kranich mit der Wolke teile
Den schönen Himmel, den sie kurz befliegen
Daß also keines länger hier verweile
Und keines anderes sehe als das Wiegen
Des andern in dem Wind, den beide spüren
Die jetzt im Fluge beieinander liegen:
So mag der Wind sie in das Nichts entführen.
Wenn sie nur nicht vergehen und sich bleiben
So lange kann sie beide nichts berühren
So lange kann man sie von jedem Ort vertreiben
Wo Regen drohen oder Schüsse schallen.
So unter Sonn und Monds verschiedenen Scheiben
Fliegen sie hin, einander ganz verfallen.
Wohin ihr? - Nirgend hin. Von wem davon? - Von allen.
Ihr fragt, wie lange sind sie schon beisammen?
Seit kurzem. - Und wann werden sie sich trennen? - Bald.
So scheint die Liebe Liebenden ein Halt.

von Berthold Brecht

Erinnerung an die Marie A.

An jenem Tag im blauen Mond September.
Still unter einem jungen Pflaumenbaum.
Da hielt ich sie, die stille bleiche Liebe.
In meinem Arm wie einen holden Traum..
Und über uns im schönen Sommerhimmel.
War eine Wolke, die ich lange sah.
Sie war sehr weiß und ungeheuer oben.
Und als ich aufsah, war sie nimmer da..
.
Seit jenem Tag sind viele, viele Monde.
Geschwommen still hinunter und vorbei.
Die Pflaumenbäume sind wohl abgehauen.
Und fragst du mich, was mit der Liebe sei?.
So sag ich dir: Ich kann mich nicht erinnern..
Und doch, gewiß, ich weiß schon, was du meinst.
Doch ihr Gesicht, das weiß ich wirklich nimmer.
Ich weiß nur mehr: Ich küsste es dereinst..
.
Und auch den Kuss, ich hätt' ihn längst vergessen.
Wenn nicht die Wolke da gewesen wär.
Die weiß ich noch und werd ich immer wissen.
Sie war sehr weiß und kam von oben her..
Die Pflaumenbäume blühn vielleicht noch immer.
Und jene Frau hat jetzt vielleicht das siebte Kind.
Doch jene Wolke blühte nur Minuten.
Und als ich aufsah, schwand sie schon im Wind.

von Berthold Brecht

Vier Liebeslieder

Als ich nachher von dir ging
An dem großen Heute
Sah ich, als ich sehn anfing
Lauter lustige Leute.
Und seit jener Abendstund
Weißt schon, die ich meine
Hab ich einen schönern Mund
Und geschicktere Beine.
Grüner ist, seit ich so fühl
Baum und Strauch und Wiese
Und das Wasser schöner kühl
Wenn ich's auf mich gieße.

Wenn du mich lustig machst
Dann denk ich manchmal:
Jetzt könnt ich sterben
Dann war ich glücklich
Bis an mein End.
Wenn du dann alt bist
Und du an mich denkst
Seh ich wie heut aus
Und hast ein Liebchen
Das ist noch jung.

Sieben Rosen hat der Strauch
Sechs gehör'n dem Wind
Aber eine bleibt, daß auch
Ich noch eine find.
Sieben Male ruf ich dich
Sechsmal bleibe fort
Doch beim siebten Mal, versprich
Komme auf ein Wort.

Die Liebste gab mir einen Zweig
Mit gelbem Laub daran.
Das Jahr, es geht zu Ende
Die Liebe fängt erst an.

von Berthold Brecht

Neue Liebe

Herz, mein Herz, warum so fröhlich,
So voll Unruh und zerstreut,
Als käm' über Berge selig
Schon die schöne Frühlingszeit?

Weil ein liebes Mädchen wieder
Herzlich an dein Herz sich drückt,
Schaust du fröhlich auf und nieder,
Erd' und Himmel dich erquickt.

Und ich hab' die Fenster offen,
Neu zieh in die Welt hinein
Altes Bangen, altes Hoffen
Frühling, Frühling soll es sein!

Still kann ich hier nicht mehr bleiben,
Durch die Brust ein Singen irrt,
Doch zu licht ist's mir zum schreiben,
Und ich bin so froh verwirrt.

Also schlendr' ich durch die Gassen,
Menschen gehen her und hin,
Weiß nicht, was ich tu und lasse;
Nur, daß ich so glücklich bin.

von Joseph Freiherr von Eichendorff

Echte Liebe

Lau in der Liebe mag ich nimmer sein, -
Kalt oder brennend wie ein lohes Feuer!
O, Lust und Leiden sind nur farblos, klein,
Wo Liebe nicht ergriffen hat das Steuer!

Wer noch bei Sinnen, ist kein rechter Freier;
Wirf von dir ohne Zagen all was dein,
Der stirbt vor Liebe nicht, ein halbgetreuer,
Wer von der Liebe mehr verlangt, als Pein.

Gleichwie ein Schiff, wenn sich die Wetter schwärzen,
An jähen Klippen treibt bei finstrer Nacht,
Auf weitem Meer der Wind' und Wogen Spiel,

So auf dem wüsten Meere meiner Schmerzen
Such' ich, auf neue Leiden nur bedacht,
Im Hoffnungslosen meines Glückes Ziel

von Joseph Freiherr von Eichendorff

Der Blick

Schaust du mich aus deinen Augen
Lächelnd wie aus Himmeln an,
Fühl' ich wohl, daß keine Lippe
Solche Sprache führen kann.

Könnte sie's auch wörtlich sagen,
Was dem Herzen tief entquillt,
Still den Augen aufgetragen,
Wird es süßer nur erfüllt.

Und ich seh' des Himmels Quelle,
Die mir lang verschlossen war,
Wie sie bricht in reinster Helle
Aus dem reinsten Augenpaar.

Und ich öffne still im Herzen
Alles, alles diesem Blick,
Und den Abgrund meiner Schmerzen
Füllt er strömend aus mit Glück.

von Joseph Freiherr von Eichendorff

Willkommen und Abschied

Es schlug mein Herz, geschwind zu Pferde!
Es war getan fast eh gedacht.
Der Abend wiegte schon die Erde,
Und an den Bergen hing die Nacht;
Schon stand im Nebelkleid die Eiche,
Ein aufgetürmter Riese, da,
Wo Finsternis aus dem Gesträuche
Mit hundert schwarzen Augen sah.

Der Mond von einem Wolkenhügel
Sah kläglich aus dem Duft hervor,
Die Winde schwangen leise Flügel,
Umsausten schauerlich mein Ohr;
Die Nacht schuf tausend Ungeheuer,
Doch frisch und fröhlich war mein Mut:
In meinen Adern welches Feuer!
In meinem Herzen welche Glut!

Dich sah ich, und die milde Freude
Floss von dem süßen Blick auf mich;
Ganz war mein Herz an deiner Seite
Und jeder Atemzug für dich.
Ein rosenfarbnes Frühlingswetter
Umgab das liebliche Gesicht,
Und Zärtlichkeit für mich - ihr Götter!
Ich hofft' es, ich verdient' es nicht!

Doch ach, schon mit der Morgensonne
Verengt der Abschied mir das Herz:
In deinen Küssen welche Wonne!
In deinem Auge welcher Schmerz!
Ich ging, du standst und sahst zur Erden
Und sahst mir nach mit nassem Blick:
Und doch, welch Glück, geliebt zu werden!
Und lieben, Götter, welch ein Glück!

von Johann Wolfgang von Goethe

Nähe des Geliebten

Ich denke dein, wenn mir der Sonne Schimmer
Vom Meere strahlt;
Ich denke dein, wenn sich des Mondes Flimmer
In Quellen malt.
Ich sehe dich, wenn auf dem fernen Wege
Der Staub sich hebt;
In tiefer Nacht, wenn auf dem schmalen Stege
Der Wandrer bebt.
Ich höre dich, wenn dort mit dumpfem Rauschen
Die Welle steigt.
Im stillen Haine geh ich oft zu lauschen,
Wenn alles schweigt.
Ich bin bei dir, du seist auch noch so ferne,
Du bist mir nah!
Die Sonne sinkt, bald leuchten mir die Sterne
O wärst du da!

von Johann Wolfgang von Goethe

Neue Liebe, neues Leben

Herz, mein Herz, was soll das geben?
Was bedränget dich so sehr?
Welch ein fremdes, neues Leben!
Ich erkenne dich nicht mehr.
Weg ist alles, was du liebtest,
Weg, warum du dich betrübtest,
Weg dein Fleiß und deine Ruh –

Fesselt dich die Jugendblüte,
Diese liebliche Gestalt,
Dieser Blick voll Treu und Güte
Mit unendlicher Gewalt?
Will ich rasch mich ihr entziehen,
Mich ermannen, ihr entfliehen,
Führet mich im Augenblick,
Ach, mein Weg zu ihr zurück.

Und an diesem Zauberfädchen,
Das sich nicht zerreißen läßt,
Hält das liebe, lose Mädchen
Mich so wider Willen fest;
Muß in ihrem Zauberkreise
Leben nun auf ihre Weise.
Die Verändrung, ach, wie groß!
Liebe! Liebe! laß mich los!

von Johann Wolfgang von Goethe

An der sonnengewohnten Straße

An der sonnengewohnten Straße, in dem
hohlen halben Baumstamm, der seit lange
trog ward, eine Oberfläche Wasser
in sich leis erneuernd, still' ich meinen
Durst: des Wassers Heiterkeit und Herkunft
in mich nehmend durch die Handgelenke.
Trinken schiene mir zu viel, zu deutlich;
aber diese wartende Gebärde
holt mir helles Wasser ins Bewußtsein.

Also, kämst Du, braucht ich, mich zu stillen,
nur ein leichtes Anruhn meiner Hände,
sei's an deiner Schulter junge Rundung,
sei es an den Andrang deiner Brüste.

von Rainer Maria Rilke

Liebeslied

Wie soll ich meine Seele halten, daß
sie nicht an deine rührt? Wie soll ich sie
hinheben über dich zu andern Dingen?
Ach gerne möcht ich sie bei irgendwas
Verlorenem im Dunkel unterbringen
an einer fremden stillen Stelle, die
nicht weiterschwingt, wenn deine Tiefen schwingen.
Doch alles, was uns anrührt, dich und mich,
nimmt uns zusammen wie ein Bogenstrich,
der aus zwei Saiten eine Stimme zieht.
Auf welches Instrument sind wir gespannt?
Und welcher Geiger hat uns in der Hand?
O süßes Lied.

von Rainer Maria Rilke

Ausgesetzt auf den Bergen des Herzens

Ausgesetzt auf den Bergen des Herzens. Siehe, wie klein dort,
siehe: die letzte Ortschaft der Worte, und höher,
aber wie klein auch, noch ein letztes
Gehöft von Gefühl. Erkennst du's?
Ausgesetzt auf den Bergen des Herzens. Steingrund
unter den Händen. Hier blüht wohl einiges auf; aus stummem Absturz
blüht ein unwissendes Kraut singend hervor.
Aber der Wissende? Ach, der zu wissen begann
und schweigt nun, ausgesetzt auf den Bergen des Herzens.
Da geht wohl, heilen Bewußtseins,
manches umher, manches gesicherte Bergtier,
wechselt und weilt. Und der große geborgene Vogel
kreist um der Gipfel reine Verweigerung. - Aber
ungeborgen, hier auf den Bergen des Herzens...

von Rainer Maria Rilke

Amalia

Schön wie Engel voll Walhallas Wonne,
Schön vor allen Jünglingen war er,
Himmlisch mild sein Blick wie Maiensonne,
Rückgestrahlt vom blauen Spiegelmeer.

Seine Küsse - paradiesisch Fühlen!
Wie zwo Flammen sich ergreifen, wie
Harfentöne in einander spielen
Zu der himmelvollen Harmonie -

Stürzten, flogen, schmolzen Geist und Geist zusammen,
Lippen, Wangen brannten, zitterten,
Seele rann in Seele - Erd und Himmel schwammen
Wie zerronnen um die Liebenden!

Er ist hin - vergebens, ach vergebens
Stöhnet ihm der bange Seufzer nach!
Er ist hin, und alle Lust des Lebens
Wimmert hin in ein verlornes Ach!

von Friedrich Schiller

An Emma

Weit in nebelgrauer Ferne
Liegt mir das vergangne Glück,
Nur an einem schönen Sterne
Weilt mit Liebe noch der Blick.
Aber, wie des Sternes Pracht,
Ist es nur ein Schein der Nacht.

Deckte dir der lange Schlummer,
Dir der Tod die Augen zu,
Dich besäße doch mein Kummer,
Meinem Herzen lebtest du.
Aber ach! du lebst im Licht,
Meiner Liebe lebst du nicht.

Kann der Liebe süß Verlangen,
Emma, kann's vergänglich sein?
Was dahin ist und vergangen,
Emma, kann's die Liebe sein?
Ihrer Flamme Himmelsglut;
Stirbt sie wie ein irdisch Gut?

von Friedrich Schiller

Die Entzückung an Laura

Laura, über diese Welt zu flüchten
Wähn' ich - mich in Himmelmaienglanz zu lichten,
Wenn dein Blick in meine Blicke flimmt;
Ätherlüfte träum' ich einzusaugen,
Wenn mein Bild in deiner sanften Augen
Himmelblauen Spiegel schwimmt.
Leierklang aus Paradieses Fernen,
Harfenschwung aus angenehmern Sternen
Ras' ich in mein trunknes Ohr zu ziehn;
Meine Muse fühlt die Schäferstunde,
Wenn von deinem wollustheißen Munde
Silbertöne ungern fliehn.

Amoretten seh' ich Flügel schwingen,
Hinter dir die trunknen Fichten springen,
Wie von Orpheus' Saitenruf belebt;
Rascher rollen um mich her die Pole;
Wenn im Wirbeltanze deine Sohle
Flüchtig wie die Welle schwebt.

Deine Blicke - wenn sie Liebe lächeln,
Könnten Leben durch den Marmor fächeln,
Felsenadern Pulse leihn;
Träume werden um mich her zu Wesen,
Kann ich nur in deinen Augen lesen:
Laura, Laura mein!

von Friedrich Schiller

Deine schönen Augen

Du hast Diamanten und Perlen,
Hast alles, was Menschenbegehr,
Und hast die schönsten Augen -
Mein Liebchen, was willst du mehr?
Auf deine schönen Augen
Hab ich ein ganzes Heer
Von ewigen Liedern gedichtet
Mein Liebchen, was willst du mehr?
Mit deinen schönen Augen
Hast du mich gequält so sehr,
Und hast mich zu Grunde gerichtet
Mein Liebchen, was willst du mehr?

von Heinrich Heine

Liebe

Du hast deinen brünstigen Leib mir geschenkt,
Mit rasender Wollust das Hirn mir durchtränkt —
Ich aber ich dürste nach Liebe.

Der Wollust berauschender Opiumwein,
Er lullt ja die brennende Sehnsucht nur ein,
Die brennende Sehnsucht nach Liebe.

Im Wahnwitzgejauchz' dionysischer Gier
Aufzittert noch immer, noch immer in mir —
Die schreiende Sehnsucht nach Liebe.

von Felix Dörmann

Die Zärtlichkeiten

Ich liebe jene ersten bangen Zärtlichkeiten,
Die halb noch Frage sind und halb schon Anvertraun,
Weil hinter ihnen schon die anderen Stunden schreiten,
Die sich wie Pfeile wuchtend in das Leben baun.

Ein Duft sind sie, des Blutes flüchtigste Berührung,
Ein rascher Blick, ein Lächeln, eine leise Hand –
Sie knistern schon wie rote Funken der Verführung
Und stürzen Feuergraben in der Nächte Band.

Und sind sie doch seltsam süß, weil sie im Spiel gegeben
Noch sanft und absichtslos und leise nur verwirrt,
Wie Bäume, die dem Frühlingswind entgegenbeben,
Der sie in seiner harten Faust zerbrechen wird.

von Stefan Zweig

Mein Liebeslied

Wie ein heimlicher Brunnen
Murmelt mein Blut,
Immer von dir, immer von mir.

Unter dem taumelnden Mond
Tanzen meine nackten, suchenden Träume;
Nachtwandelnde Kinder,
Leise über düstere Hecken.

O, deine Lippen sind sonnig...
Diese Rauschedüfte deiner Lippen...
Und aus blauen Dolden silberumringt
Lächelst du ... du, du.

Immer das schlängelnde Geriesel
Auf meiner Haut
Über die Schulter hinweg -
Ich lausche...

Wie ein heimlicher Brunnen
Murmelt mein Blut..

von Else Lasker-Schüler

Wenn ich heut nicht deinen Leib berühre

Wenn ich heut nicht deinen Leib berühre
Wird der Faden meiner Seele reissen
Wie zu sehr gespannte Sehne.
Liebe Zeichen seien Trauerflöre
Mir der leidet seit ich dir gehöre.
Richte ob mir solche Qual gebühre
Kühlung sprenge mir dem fieberheissen
Der ich wankend draussen lehne.

von Stefan George

Gebet an die ferne Geliebte

Gib mir deine Kraft.
Laß die Leidenschaft
alles andre in mir töten.
Selbst die Schlacke, die
grausige, zerglüh
durch dein tiefes ganz für mich Erröten.

Gib mir deine Kraft,
laß die Leidenschaft
jenes letzte große Leid mir schaffen,
daß ich fühle: ich
würde ohne dich
nie des Gottes Saum vor mir erraffen.

von Christian Morgenstern

Woher

Eine weiße leichte Freude steigt
Heilig prickelnd mir in meine Kehle.
Ich weine über die Nacht geneigt.
Wer besucht denn meine Seele?
Erst war ja noch alles Scherbe und wüst
Jetzt aber hat die erste Sonne den Pol gegrüßt,
Oder eine Anmut sich auf fremdem Stern begeben.
Ein Kuß verschlang zwei Leben,
Hand fand sich schaudernd zu Hand,
Daß ich Fern-Verborgner nicht widerstand
Ja! Ich bin ein kristallnes Haus.
Millionen Strahlen fahren,
Die geheimen und die offenbaren,
Ein und Aus
Und eine weiße leichte heilige Freude.

von Franz Werfel

Aranka

Ich fühle deine Knie an meinen,
und deine krause Nase
muß irgendwo in meinem Haare weinen.
Du bist wie eine blaue Vase,
und deine Hände blühn wie Astern,
die schon vom Geben zittern.
Wir lächeln beide unter den Gewittern
von Liebe, Leid - und Lastern.

von Wolfgang Borchert

Für dich

Möcht' mich als Staub vor die Füße dir legen,
Will dich bewegen wie die Winde das Laub,
Wollt' Küsse dir geben, soviel Tropfen im Regen,
Liebe ist blind, doch du, Geliebte, bist taub.

Hätte ich Hände, soviel Blätter die Bäume,
Sie alle sollten für dich nur sich regen,
Für dich sterb ich stündlich im Lied meiner Träume
Und kann mich selbst nur im Traum noch bewegen.

von Max Dauthendey